MÜNCHENER B–ENNALE – FEST–VAL FÜR NEUES MUS–KTHEATER
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März
2022

Editorial

Point of NEW Return

Es scheint im Leben zu viele Einbahnstraßen zu geben. Eigentlich ist alles unumkehrbar. Ökonomische, soziale und ökologische Bewegungsrichtungen, die sich auf fatale Weise nicht mehr korrigieren lassen. Wir sind wohl über Grenzen hinausgeschossen, die eine Umkehr unmöglich machen? Die Kunst wird da über Nacht keine Abhilfe schaffen. Aber vielleicht, da von Haus aus mit unkonventionellen Problemlösungen befasst, kann sie Möglichkeitsräume öffnen oder vielleicht sogar – wie im Modellversuch – neue brauchbare Denkansätze schaffen? Und sei es „nur“ in der Frage individueller und gesellschaftlicher Sensibilisierung und Bewusstwerdung?
Man könnte das Phänomen des Komponierens auch beschreiben als eine Praxis, die sich Probleme schafft, um unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten zu erfinden und auszuprobieren. Das, was erst einmal nur im scheinbar luftleeren Raum, fern der harten Lebensrealität stattfindet, gewinnt hierdurch Relevanz und Präzision. Denn es müssen Ansätze geschaffen werden, die möglicherweise in Bereiche vorstoßen können, deren Bewegungs-Gesetze sonst streng geregelt sind. Oft nach ökonomischen Gesichtspunkten, vor allem auch nach Profit-Interessen.
Zu dem Thema und der Fragestellung „Point of NEW Return“ haben internationale Komponierende und Kunstschaffende für die diesjährige Münchener Biennale eine Reihe vielfältiger und intensiver Lösungsansätze entworfen. Hierbei gibt es keinen ästhetischen oder ideologischen Kamm, über den alles gekämmt wurde. Aber es gibt – bei aller Diversität – rundum die Ein- und Zuversicht, dass gerade im Spielerischen Tun und Kreieren unsere Chance liegt, offensichtlich festgefahrene Prozesse neu zu denken und zu bewegen. Hierfür soll dieses Festival immer wieder den notwendigen geschützten Spielraum bilden.

Durch die aktuellen Ereignisse der letzten Monate bekam der Titel unseres Festivals beinahe prophetischen Charakter. Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens bedeuten für alle ein Innehalten, das mal als Stillstand und mal als Überdenken und Überprüfen des Bisherigen empfunden wird. Die wirtschaftlichen Folgen der Krise sind bereits für viele spürbar, große wirtschaftliche Verluste sind zu erwarten und zugleich werden durch den Stillstand von Verkehr und Tourismus die Klimaziele in diesem Jahr übertroffen. Was lange nicht möglich schien, eine Umkehr, eine Veränderung des wachstumgetriebenen Kapitalismus ist nun – erzwungenermaßen – möglich und lässt erkennen, was verzichtbar ist und was wirklich relevant. Dieser derzeitige „Point of NEW Return“, an dem wir alle stehen, wird uns und unser Leben verändern. Zwar ist an kulturelle Veranstaltungen im Moment nur sehr eingeschränkt zu denken, über Nacht sind alle Nachrichten fast ausschließlich mit der globalen viralen Lage und ihren Folgen befasst. Aber wir merken schon jetzt, wie überlebensnotwendig für alle die Beschäftigung mit sinnstiftenden, transzendenten und damit künstlerischen Fragen und Gegenständen ist.

In Absprache mit unseren Kooperationspartnern haben wir beschlossen, auf die Herausforderung flexibel zu reagieren. Die aktuelle Ausgabe der Münchener Biennale ist dynamisch. Uraufführungen können ausnahmsweise auch an Häusern außerhalb Münchens stattfinden. Diese Premieren sind Teil der nun „erweiterten“ Biennale und werden zum Teil im April 2021 auch in München gezeigt.

Unser „Salon des Wunderns und der Sichten“, ursprünglich geplant für zehn Abende im Mai 2020, wird nun als verbindendes Element über längere Zeit hinweg an unterschiedlichen Orten produziert und ins Netz gestellt werden. Er ist eine Art „Cursor“ im ansonsten dezentralen, dynamischen Festival-Raum, aktuelle Plattform der Kommunikation und des Gesprächs mit Gästen. Wir hoffen, dass so vielleicht für alle Beteiligten ein NEW Return möglich wird.

Wir möchten der Stadt München danken für ihren Mut und ihr Interesse, die nachhaltige Unterstützung und für ihre Zuversicht, dem neuen Musiktheater jenen Raum zu geben, der erst durch Spiel, Forschung und Risiko belebt wird. Wir danken allen Sponsoren und Förderern für ihr inhaltliches Mitdenken und außergewöhnliches Engagement. Als Künstlerische Leiter genießen wir zusammen mit unseren Dramaturgen den Luxus, mit dem fantastischen und leidenschaftlichen Produktionsteam von Spielmotor zusammenzuarbeiten, dem wir insgeheim jeden Tag danken, hier aber noch einmal ausdrücklich! Unser ganz besonderer Dank gilt allerdings den herausragenden künstlerischen Mitwirkenden dieses Festivals!

Daniel Ott und Manos Tsangaris,
Künstlerische Leiter der Münchener Biennale