DAVOR
Ein dokumentarisches Musiktheater-Projekt
Nach einer Idee des Journalisten Bobby Rafiq und des Komponisten Yoav Pasovsky nähert sich dieses Projekt dem Thema Alltagsrassismus. Unter Verwendung von szenisch aufgearbeiteten Interviews, die von der taz-Journalistin Ebru Tasdemir geführt wurden, entwickelte der Regisseur Robert Lehniger zusammen mit seiner Ausstatterin Irina Schicketanz, der Dramaturgin Marion Hirte und dem Komponisten eine begehbare Installation. Die dadurch entwickelten Szenen/Situationen spiegeln tagtägliche Momente der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen mit Migrationsgeschichte wider: in denen ihnen die Zugehörigkeit zu diesem Land immer wieder abgesprochen wird, in denen sie als andersartig markiert und stigmatisiert werden. Denn den tätlichen An- und Übergriffen auf Flüchtlingsheime, jüdische Friedhöfe oder nicht weiße Menschen gehen subtilere Formen der Ausgrenzung voraus. Um einem vermutlich mehrheitlich weißes, bürgerliches Publikum diese Erfahrungen näher zu bringen und emotional teilen zu lassen, bricht das Musiktheater-Projekt die klassische Trennung von Bühne und Zuschauerraum auf und lässt das Publikum in einer labyrinthischen Installation in Live-Szenen genauso wie in die Virtual Reality mittels entsprechender Headsets eintauchen. Die Zuschauenden werden so unmittelbar an Situationen und Szenen beteiligt, in denen sie Alltagsrassismus als Betroffene erleben können. Auch die musikalische Komposition arbeitet mit dem dokumentarischen Material und macht auf eine Situation aufmerksam, die die Betroffenen als eine sich stetig verschärfende Situation eines Umbruchs erleben. Ein DAVOR. Ob dieses Davor ein „Point of NEW oder NO Return“ sein kann, bleibt unserem Handeln überlassen. Für den Komponisten Yoav Pasovsky wurde seine eigene Biografie zum Ausgangspunkt: in Israel geboren und aufgewachsen, wanderte er mit 23 Jahren nach Berlin aus und gründete dort eine Familie. Seine Urgroßeltern väterlicherseits flohen 1935 aus München nach Palästina. Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre fragt er sich immer öfter, ob Deutschland ein sicheres Land für ihn und seine Familie bleibt. Er konnte noch nie so sehr wie jetzt nachvollziehen, wie sich seine Urgroßeltern damals gefühlt haben müssen.
Sprache: Deutsch
Dauer: ca. 70 Minuten (Einlass alle 20 Minuten für jeweils 9 Personen. Letzter Einlass 21:20 Uhr)
Die Vorstellung wird ab einem Alter von 13 Jahren empfohlen.
Produktion der Münchener Biennale
In Kooperation mit der Otto Falckenberg Schule
Künstler*innen
Besetzung
Mit: Benita Sarah Bailey, Thu Trang Dong, Şiir Eloğlu, Ernest Allan Hausmann
Studierende der Otto Falckenberg Schule: Conrad Ahrens, Bless Amada, Maditha Dolle, Jan Fassbender, Konstantin Gries, Daria von Loewenich, Jochanah Mahnke, Valentin Mirow, Marlina Adeodata Mitterhofer, Anna K. Seidel, Paul Wellenhof
Die Gesprächspartner*innen: Benjamin Adjei (Politiker, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Chadi Bahouth (Coach + Dozent), Sanchita Basu (Gründerin der Opferberatungsstelle „Reach Out“), Idil Baydar (Comedian), Tülay Bilgen (Bildungswissenschaftlerin), Ebow (Musikerin), Nazanin Ghafouri (Sozialpädagogin), Ilaaf Khalfalla (Fotografin), Armin Langer (Autor), David Mayomba (Musiker, Moderator), Ario Mirzai (Aktivist), Olimpio do Nascimento Petri (Audiodesignstudent), Pantelis Pavlakidis (Lehrer), An Phan (Studentin), Ülkü Schneider-Gürkan (Dolmetscherin), Ali Schwarzer (Blogger), Phung Vu Tangh (Wirtschaftstudentin), Nomazulu Thata (Mitglied der Feministischen Partei Bremen), Ali Naki Tutar (Aktivist)
Partner und Sponsoren
In Kooperation mit
XINFORMATION
Münchener Biennale 20/21
„Point of NEW Return“
Manch ein „NEW Return“ ergibt sich schneller als gedacht: In allen existentiellen Krisen waren die Künste (mit)entscheidendes Moment des Erneuerns, des Neu-Denkens, der Reflexion, des Aufbruchs, der Umkehr, des NEW Return, für jeden Einzelnen ebenso wie für die Gemeinschaft. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde die Münchener Biennale 2020 erstmals in ihrer Geschichte zu einem dynamischen Festival – zu einer Metapher für den notwendigen flexiblen Umgang mit unserer Gegenwart und ein Modell für die Mobilität, Aktualität und Relevanz der Künste.
Uraufführungen, die wegen der Pandemie nicht im Mai 2020 in München herauskommen konnten, hatten inzwischen andernorts Premiere oder werden in den kommenden Monaten in München zu sehen sein. Im April 2021 stehen voraussichtlich drei Produktionen in München auf dem Programm: „Once to be realised“ – Sechs Begegnungen mit Jani Christous „Project Files“ von Beat Furrer, Barblina Meierhans, Olga Neuwirth, Younghi Pagh-Paan, Samir Odeh-Tamimi und Christian Wolff; „Große Reise in entgegengesetzter Richtung“ – Expeditionen ins Archiv der Wirklichkeitsfabrik von Yair Klartag, Anda Kryeziu, Christiane Pohle/ Zahava Rodrigo, Tobias Eduard Schick/ Katharina Vogt und Ror Wolf sowie „Transstimme“ – Oper in zwei Akten von Fabià Santcovsky.
Auch der „Salon des Wunderns und der Sichten“, der Thema und Geist der Münchener Biennale weiterdenkt, wird fortgesetzt.